Auslobung II
Die Humanistische Stiftung setzt Preisgelder von insgesamt € 240.000.- für jeweils drei rechtswissenschaftliche und drei wirtschaftswissenschaftliche Aufsätze über jedes der beiden folgenden Themen aus:
- Verbieten die in den EG- und EU-Verträgen vereinbarten Grundfreiheiten den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, bei einer nachgelagerten Besteuerung der Unternehmensgewinne (Gewinneinkünfte) die Besteuerung der im Inland erwirtschafteten Gewinne sicherzustellen?
- Kann in der nachgelagerten Besteuerung die einheitliche steuerliche Bemessungsgrundlage für die Unternehmensgewinne in der Europäischen Gemeinschaft gefunden werden?
Das Preisgeld wird jeweils in Höhe von € 20.000.- vergeben. Die Auswahl der insgesamt 12 Beiträge erfolgt durch ein Preisgericht nach seinem freien Urteil unter Ausschluss des Rechtsweges.
Teilnahmeberechtigt sind natürliche und juristische Personen jeder Art und Herkunft sowie Zusammenschlüsse von entsprechenden Personen. Der Aufsatz muß spätestens am 30.04.2007 bei der Humanistischen Stiftung, Holzhausenstraße 19 in 60322 Frankfurt am Main, eingegangen sein. Teilnehmer außerhalb des deutschsprachigen Raums können den Aufsatz in englischer Sprache verfassen. Mit der Teilnahme an der Auslobung geht das Recht, einen prämierten Text in jeder Form kostenfrei verwerten zu dürfen, auf die Humanistische Stiftung über.
Zur Erläuterung der gestellten Aufgaben:
In der Bundesrepublik Deutschland gewinnt die Idee an Boden, die Gewinne der Gewerbetreibenden, Personengesellschaften, Körperschaften, Freiberufler und Land- und Forstwirte zu ihrer Entlastung erst dann zu besteuern, wenn sie entnommen bzw. ausgeschüttet werden, also die sogenannte „nachgelagerte Besteuerung“ einzuführen. Im Gegensatz zur herkömmlichen Besteuerung, die bekanntlich wachstums- und beschäftigungshemmend ist, hat die nachgelagerte Besteuerung den Vorteil, die Innovationskraft zu stärken und damit Wachstums und Beschäftigung zu fördern. Anders als andere Reform- und Entlastungsvorschläge führt die nachgelagerte Unternehmensbesteuerung zudem weder zu einer Verlagerung der Steuerlast von den Einkünften aus Kapital auf die Einkünfte aus Arbeit noch zu endgültigen Steuerausfällen. Eine nachgelagerte Besteuerung führt – wirtschaftlich und mittelfristig betrachtet – lediglich zu verzinslichen Steuerstundungen, an deren positiven Effekten der Fiskul teilnimmt.
Den pauschalen Einwand, die nachgelagerte Unternehmensbesteuerung könne zu nicht beherrschbaren Steuerausfällen führen, hat jüngst das Finanzwissenschaftliche Institut der Universität Köln1 widerlegt. Im Gegenteil: Am Beispiel des von Joachim Mitschke2 für die Bundesrepublik Deutschland vorgelegten Reformentwurfs konnte für dessen Einführungsstufe einer nachgelagerten Besteuerung die Zunahme des Bruttosozialprodukts um 1.1 % und eine Zunahme der Beschäftigten um 370.000 errechnet werden.
Die Verantwortung für die nationalen Haushalte liegt bei den einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Korrespondierend hierzu ist den Mitgliedstaaten die Souveränität über die direkten Steuern zugeordnet. Die bisherige Interpretation der Grundfreiheiten durch den Europäischen Gerichtshof hat immer stärker die Souveränität der Mitgliedstaaten in der Gestaltung der direkten Steuern beschnitten. Erst in jüngster Zeit zeichnet sich möglicherweise ein Umschwenken ab.
Neben den wachstums- und beschäftigungsfördernden sowie das Eigenkapital in den Unternehmen stärkenden Wirkungen besticht die nachgelagerte Besteuerung der Unternehmensgewinne dadurch, dass sie rechtsformneutral ist, dass sie ein Höchstmaß an Vereinfachung bietet - das gesamte Bilanzsteuerrecht kann entfallen - und dass deshalb die Entnahme bzw. Ausschüttung als Anknüpfungspunkt der Besteuerung in allen Mitgliedstaaten gut implementierbar erscheint.
Mit den durch die Auslobung angeregten Aufsätzen soll ein Beitrag zur Klärung und Beseitigung unterschiedlicher richterlicher, wissenschaftlicher und politischer Auffassungen geleistet werden.
1 Fuest, C., A. Peichl und T. Schäfer (2005): Aufkommens-, Beschäftigungs- und Wachstumseffekte einer Steuerreform nach dem Vorschlag von Mitschke, Fifo Berichte Nr. 5, Finanzwissenschaftliches Forschungsinstitut an der Universität zu Köln m.w.N.
2 Erneuerung des deutschen Einkommensteuerrechts – Gesetzestextentwurf und Begründung. Mit einer Grundsicherungsvariante. Köln 2004 (Verlag Dr. Otto Schmidt).
Frankfurt, den 30. Juni 2006
gez. Dr. Hansgeorg Jehner
(Der Auslobungstext kann hier im PDF Format heruntergeladen werden)