Erst die Entnahmen und Ausschüttungen besteuern
Wertvolle Hilfen für die Politik. Die Ergebnisse eines mit € 450.000.- ausgestatteten Wettbewerbs für die Erneuerung des Einkommensteuerrechts
Ein volles Jahr hatte der steuerliche Sachverstand der Republik Zeit, um bis zum 30. Juni den ausformulierten Entwurf eines Neuen Einkommensteuergesetzes mit einer Begründung seiner einzelnen Vorschriften als Wettbewerbsbeitrag einzureichen. Der jeweilige Entwurf sollte sich untergliedern in den Gesetzestext als ersten Teil und in die Begründung der einzelnen Vorschriften als zweiten Teil.
Die in Frankfurt am Main ansässige Humanistische Stiftung hat nunmehr den mit € 125.000.- dotierten ersten Preis dem bekannten Volks- und Betriebswirtschaftler Professor Dr. Joachim Mitschke, langjähriger Hochschullehrer an der Johann Wolfgang Goethe - Universität in Frankfurt am Main, zuerkannt. Mitschkes Arbeit erfüllt die in der Auslobung der Humanistischen Stiftung gestellten Aufgaben. Er beseitigt praktisch alle im deutschen Einkommensteuerrecht vorhandenen Unsäglichkeiten. Seine Arbeit läuft darauf hinaus, lediglich die konsumierten Teile des Einkommens aktuell zu besteuern, die nicht verbrauchten Teile des Einkommens hingegen erst am Lebensende. Losgelöst von dieser dem Laien zunächst fremd anmutenden Zielvorstellung können wesentliche Teile seiner Arbeit jedoch auch in traditionelle Vorstellungen des geltenden Einkommensteuerrechts eingebunden werden. Von hier aus betrachtet besteht die gewichtigste neben einer ganzen Reihe anderer von ihm vorgeschlagenen Neuerungen in folgendem.
Bei Kapitalgesellschaften sowie den sonstigen bilanzierenden Betrieben der Land- und Forstwirte, der Gewerbetreibenden und der Selbständigen soll die Besteuerung der Gewinne erst bei deren Entnahme bzw. deren Ausschüttung erfolgen. Solange der Eigentümer des Betriebs den Gewinn ganz oder teilweise in dem Betrieb belässt, solange und soweit soll auch der Fiskus die Erhebung der Ertragsteuer hinausschieben. Diese - lediglich zeitliche - Verschiebung der Besteuerung ist von großem Nutzen für das gesamte Wirtschaftsleben.
Durch die Verlagerung der Besteuerung auf die Entnahmen bzw. Ausschüttungen können das gesamte Körperschaftsteuerrecht und das gesamte Bilanzsteuerrecht und damit weitaus mehr als die Hälfte der typischen Steuerprobleme, mit anderen Worten der größte Teil des gegenwärtigen Steuerwirrwarrs entfallen. Dies würde nicht nur die Arbeit der Steuerberater erleichtern und bei den Finanzämtern zu ganz erheblichen Personaleinsparungen führen. Bedeutsamer ist, daß die Betriebe frei von steuerlichen Rücksichtnahmen allein nach handelsrechtlichen und betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführt werden könnten.
Die Eigenkapitalbasis der Betriebe könnte sehr schnell auf ein höheres Niveau geführt werden. Damit würde sich auch das durch Basel II besonders für den Mittelstand wachsende Problem der Kreditbeschaffung entschärfen. Da die meisten sogenannten steuerlichen Überschussrechner bereits heute ihre Einnahmen und Ausgaben in ordnungsgemäßen Büchern erfassen, können auch sie jederzeit kaufmännisch bilanzieren.
Mit dieser zeitlichen Verschiebung der Besteuerung würden übrigens die Inhaber eines Betriebs – erstmals - steuerlich mit ihren Arbeitnehmern gleich gestellt. Sie müssten wie diese nur das versteuern, was sie auch tatsächlich aus dem Betrieb erhalten. Aber auch die Arbeitnehmer profitieren. Nur bei ausreichendem Kapital in den Betrieben bleiben Arbeitsplätze erhalten und entstehen Arbeitsplätze neu, werden Lehrlinge ausgebildet und innovativer Aufwand betrieben, kann der einzelne Betrieb schwierige Zeiten überstehen und wieder wachsen.
Auch der Fiskus würde dauerhaft profitieren. Zur Vermeidung von Mißbräuchen durch die Betriebsinhaber könnte auf bewährte geltende steuerliche Regelungen zurückgegriffen werden und nur über das wirtschaftliche Wachstum unserer Betriebe wird auch das Steueraufkommen wieder wachsen. Es ist fiskalisch betrachtet einfach sinnvoller, den Staatsanteil am Gewinn solange einem Unternehmen zu belassen, wie der Betriebsinhaber seinen Gewinnanteil ebenfalls im Betrieb beläßt, als ihn - wie gegenwärtig - sobald wie möglich dem Betrieb zu entziehen und ihn beispielsweise der Bundesanstalt für Arbeit zur Vermittlung nicht existierender Arbeitsplätze zu überweisen. Ein möglicherweise zunächst rückläufiges Steueraufkommen würde sich bereits nach kurzer Anpassungszeit wieder auf das gegenwärtige Niveau einpendeln, wegen Abbau der Arbeitslosigkeit sogar erhöhen.
Bestechend ist, daß diese Neuerung wie auch manch anderer von Mitschke unterbreiteter Vorschlag in und außerhalb der Finanzämter auf große Zustimmung stoßen und daß sie ohne ins Gewicht fallende Änderungen in der Organisation der Finanzämter umgesetzt werden können.
Mitschke wurde darüber hinaus mit einem weiteren Preis in Höhe von € 40.000 .- für einen ergänzenden Entwurf bedacht, mit dem er die Verwaltung von verschiedenen staatlichen Unterstützungsleistungen als Teil der Einkommensbesteuerung in die Finanzämter verlagert. Mit diesem und dem ersten Preis wurde das Lebenswerk von Mitschke zur Neuordnung der Besteuerung und Sozialtransfers gewürdigt.
Den zweiten Preis in Höhe von € 100.000.- erhielt Dr. jur. Michael Elicker, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Steuerrecht der Universität des Saarlands. Die Arbeitsgemeinschaft um Prof. Joachim Lang, Universität Köln, bestehend aus Frau Prof. Johanna Hey, Prof. Norbert Herzig, Heinz-Gerd Horlemann, Dr. Jürgen Pelka, Prof. Heinz- Jürgen Pezzer, Prof. Roman Seer und Prof. Klaus Tipke erhielt einen Preis in Höhe von € 75.000.-.
Preise von jeweils € 40.000.- erhielten Prof. Manfred Rose, Universität Heidelberg, und die F.D.P. Weitere Preise von insgesamt € 30.000.- wurden für einzelne Vorschläge zur Beseitigung von steuerlichen Ungereimtheiten und Problemen bei der Durchführung der Besteuerung vergeben.
Die Arbeiten der vorstehend namentlich aufgeführten Verfasser werden – auch als Zeitdokumente der geistigen Leistungsfähigkeit und geistigen Leistungsbereitschaft – im Otto Schmidt Verlag in Köln veröffentlicht werden.
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